Kreativ sein - das ist der neue Slogan, der wacker der Kunst voranflattert... [...] Ich gestehe, vor den Folgen dieses Kreativitätswahnes wird mir angst und bange. Mich überfallen mitunter schwere Alpträume, in denen ich die bekannten grünen Männchen erblicke, die allesamt kreativ herumwerkeln, basteln, lustige Spielchen treiben, die Straßen aufreißen, musizieren, dichten, malen - die Welt ein Tollhaus der Kreativität. Sämtliche Menschen durch die Kreativität befreit, Hemmungen hat keiner mehr, der Tritt in den Hintern des Nachbarn ist dann nicht nur ein befreiender, sondern auch ein kreativer Akt. Keiner hört zu, alle reden wild, doch kreativ, miteinander durcheinander - vielleicht bin ich künftig der einzige, der nichts lieber mag, als einfach zu lesen..., zu sehen...und zu hören...
Klaus Honnef
(Essayauszug in „Kunstforum International“; Band 25, 1/78)
12 коментара:
Der Kreativität huldigen,
ist auch nichts anderes,
als die (vergebliche) Suche nach sich selbst.
Gruß
Petros
Der Untertitel des Essays ist „Von Künstlerfürsten zum Künstlerstar - Oder: Was hat Kunst mit Mode zu tun“
...in deiner Aussage steckt viel Wahrheit, (sei mir bitte nicht böse) aber wenig mit diesem Essay zu tun...
leider darf ich nicht längere Auszüge veröffentlichen um dir das zu verdeutlichen...
Dieser Essay aus 1978 (finde ich) hat noch nicht an seiner Aktualität verloren...
LG
@miro
Hat nicht jeder Mensch das Bedürfnis seine Einzigartigkeit auszudrücken? Ich find's gut, wenn welche den Weg dazu finden... Ich glaube, es handelt sich dabei um die Minderheit. Bräuchte man sonst so viele Angebote, High-Lights, Unterhaltung und Animateure für die Freizeit? (Wie wär's mit Urlaub in Disneyland?)
Unter Leuten, die denken, ausgerechnet ihr Arschtritt sei ein kreativer, muss man sich ja nicht bewegen!
Ich persönlich finde, auch Kuchenbacken, Kochen, Blumenzüchten, Kontakte pflegen, etc. kann mit sehr viel Kreativität verbunden sein...
Liebe Grüße
Claudia Jo.
Liebe Claudia,
wie du schon erwähnst...die Kreativität ist vielseitig
und betrifft auch unser Alltagsgeschehen - sehr treffend aber für die Mode(bewegung) ist:
alle reden wild,
doch kreativ,
miteinander durcheinander
...sehr zum Nachdenken (wir „Vernetzte“ sind auch nicht davon verschont)
Liebe Grüße
@miro
Der zweite Schuh der Kreativität war schon immer die Exklusivität. Allein schon, weil gesellschaftliche Ressourcen niemals unendlich waren, so daß den Kreativen immer von den nicht Kreativen gegeben werden mußte.
Und ja, es ist beängstigend, wenn alle kreativ sein zu wollen beanspruchen, just so wie ich!
Kann es womöglich sein, daß wir alle so leicht Kreativität verwechseln damit, nur einfach losgelöst zu sein vom Alltag: Kinder stillen, Essen kochen, Nahrung heran schleppen, Fußböden wischen, die Heizung reparieren, die Autoversicherung zahlen, Graf Koks von der Gasanstalt zufrieden stellen?
Aber, aber...
Kreativität ist die Umsetzung der Phantasie! Wenn ich diesem Bedürfnis um seiner selbst willen folge, dann ist dies der Gegenpart zu:
alle reden wild,
doch kreativ,
miteinander durcheinander
Erich Frieds Lektüre "Haben oder Sein" eignet sich hervorragend, den Unterschied zu verdeutlichen.
Und hier noch einen kleinen Leckerbissen:
"Was wir Gutes zu zeigen haben an Kunst und Dichtung, das ist nicht aus feiler Anpassungsfähigkeit und glücklichem Zeitinstinkt entstanden, sondern aus Charakter und Not, das meiste davon im Trotz und Krieg wider den Tag und seine nivellierenden Forderungen." :-)
H. Hesse
Aber...
...jetzt werde ich aber ein bisschen provokativ: mir reicht es nicht,
sich nur auf Fantasie zu berufen (wobei ich sehr schöne Essays darüber las)
...forensische Abteile sind dann mit sehr „kreativen Straftätern“ überfüllt...
und Kriegsplätze auch...und Folterkammern...und...
@miro
...nun noch einige Gedanken von mir hinterhergeschickt:
1970 - 1978
...das war eine wilde Zeit, die Straßenmaler wucherten aus dem Asphalt,
Hausbesetzer bemalten Hausfassaden,
Töpferkurse,
Seidenmalerei,
Hippy-Happy-Happenings an jeder Ecke,
"psychedelic art" und "creativity" schwappte über den großen Teich und die vormals triste Nachkriegsspießbürgerwelt kriegte überall ein paar bunte Punkte auf die Nase gedrückt...
Was da den Anspruch hatte, große Kunst zu sein, hat das große Sieb Zeit schon zerlesen und längst auf Dachböden und in Hinterhofabstellkammern vergammeln lassen...
Dass Klaus Honnef da mit Stirnrunzeln um sich blickte kann ich verstehen, denn ihm ging es nicht um diese spontane schnelle kreative Nummer, der emporschwappende Kunstbetrieb schreckte ihn ab, die Oberflächlichkeit und Wichtigtuerei von Dilletanten machte ihn krank!
Und Kreativität hat vordergründig nicht viel mit Kunst zu tun...
Nun, so war das...
Liebe Grüße
Gabriele
Lieber Miro,
ich hab's verdrängt oder vergessen... ja, die "negative" Kreativität gibt es auch. Ich hatte einen jüngeren Bruder, was dieser sich alles einfallen ließ, um sich den nächsten Druck zu verschaffen, stellt die Kreativität einer ganzen Künstlerkolonie in den Schatten. Es war furchtbar! Eine Überdosis ließ uns alle erstarren und... aufatmen! (Nachzulesen auf meinem Blog: in memoriam Witto!)
So gesehen, verteidige ich das Ausleben von Phantasie und Kreativität nicht!
Liebe Grüße
Claudia Jo.
Kompliment auch an Gabriele; die klugen Kommentare haben mich beeindruckt.
Nun will ich auch noch meinen Senf dazu geben, aber mir fällt nichts ein. Bin eben nicht kreativ genug.
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Aber Spaß beiseite, die Kreativität wird doch immer nur von denen beschworen, die überhaupt nicht wissen, was das ist.
Bis bald
Nur mit Schwarz und Weiß kommt man hier nicht weiter...
ich back' 'nen Marmorkuchen, der kommt wenigstens mit zwei Farben aus. ;-)
Grüße!
Vielleicht ist Kreativität nichts anderes als ein "ich bin (auch noch) da"...
Ich weiß nicht..
Fabian
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