четвртак, 24. јул 2008.

Boris Dežulović: Die Hymne

Nicht für die Menschen mit schwachen Nerven!


Aus Angst, uns selbst zu entdecken, lehnen wir die Auseinandersetzung mit den wahren Wurzeln des Krieges ab.
Boris Dežulović

ISBN: 978-3-85435-534-2

Die Hymne

Dann haben wir ihn nackt ausgezogen
und mit Petroleum übergossen
und er hat sich richtig angeschissen
ich meine wortwörtlich

Dann haben wir ihm einen Löffel gegeben
damit er seine Scheiße isst
aber er hat alles
ausgekotzt

Dann haben wir ihm einen Strohhalm gegeben
damit er die braune Pfütze austrinkt
aber er ist in Tränen ausgebrochen
wie ein kleines Mädchen

Dann haben wir ihn hergekriegt
mit 12-Zoll-Rohren
auf die Nieren
lass mal hören wie du singst
und mit Baseballschlägern
auf die Knie
sing du Motherfucker
aber er ist ohne einen Laut
umgefallen

Dann haben wir ihn mit Wasser übergossen
er hat uns ganz gelb angesehen
er wollte etwas sagen
sie lagen ihm auf der Zunge
die zwei Zähne
fast wäre er erstickt
der Idiot

Dann haben wir ihm die Drähte
des Feldtelefons
mit Klammern
an den Schwanz geklemmt
und an die Eier
ruf Belgrad an haben wir ihm gesagt
Vorwahl eins eins
ein Scheiß eins eins
raus kommst du mit null null
ti-ti-ti-ti-ti-ti-ti-ti-ti-ti
er hat gebrüllt gezittert
ti-ti-ti-ti-ti-ti-ti-ti-ti-ti
er hat geweint
da plärrst du Arsch

Dann haben wir ihn auf den Beton gelegt
ihm die Beine gespreizt
hat sich gewehrt das Schwein
und ihm ein fünfädriges Kabel
in den Arsch geschoben
sing mal du Motherfucker
du Tschetniksau
was
gurgelt er
den Mund voller Zähne
ich weiß nichts
bei meinen Kindern
sing du Kinderschänder

Vijepa nava domovino
war leise zu hören
lauter oder ich reiß dir den Arsch auf
oj junavka vemvjo miva
was lispelst du da
du orthodoxes
Stück Scheiße
stave svave djedovino
da bi vavda
svetna*

endlich war es zu hören

Wir standen still
die Rechte auf der Brust
die Augen beschlagen
wie eine Flasche kaltes
Bier

Nie hat unsere Hymne
schöner geklungen.

Boris Dežulović
/Aus dem Kroatischen vom Klaus Detlef Olof/
________________________
* Lijepa naša domovina
oj junačka pjesmo mila
stare slave djedovino
da bi vazda sretna bila


(O schönes Heimatland,

o trautes Heldenlied,
o alten Ruhmes Erbe,
mögest du ewig glücklich sein)

Text der kroatischen Nationalhymne von

Antun Mihanović (1796-1861).



Boris Dežulović: Kroatischer Journalist und Buchautor, geb. 1964 in Split. Er ist einer der drei Gründer der weit über die Grenzen Kroatiens hinaus bekannten, kritisch-satirischen Zeitung "Feral Tribune" sowie Kolumnist der Wochenzeitung "Globus".

Die Gedichte kamen zustande, als einige der Wächter im ersten Gerichtsprozess freigesprochen wurden. Das Buch erschien nach ihrer Verurteilung beim zweiten Prozess. Ich wollte die LeserInnen anspucken, ihnen einen Elektroschock geben, wie unsere „Helden“ in Lora, damit sie sich endlich eingestehen, was dort vorgefallen ist. Die Menschen, und das trifft nicht nur auf Kroatien zu, wollen von solchen Dingen nichts hören. Alles soll schwarz-weiß sein, wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen, und wenn jemand dieses Bild stört, verlieren sie das Gleichgewicht. Genau das wollte ich. Sie sollen verstehen, dass diese Verbrechen auch in ihrem Namen passiert sind.

Boris Dežulović

6 коментара:

Unknown је рекао...

Selten ist eine Überschrift passender.
Ich dachte, ich würde hart schreiben.
Man muss in jedem Fall kräftig Schlucken, aber ich mag die ungeschminkte Wahrheit.

Mit freundlichem Gruß,

UnterBruecken

Анониман је рекао...

Schade, Feral Tribune gibt es online nur auf kroatisch.
Aber: Artikelsammlung!

Миррослав Б Душанић је рекао...

...aber für mich ist kroatische Sprache kein Problem.

Die Redaktion von Feral Tribune als regierungskritische Zeitung hat um seine Existenz immer gekämpft
(zahlreiche Gerichtprozesse durchgemacht und dadurch auch immer große finanzielle Schwierigkeiten gehabt).

...und leider letzte Ausgabe erschien am 15. Juni 2008.

Анониман је рекао...

Wer die Dinge beim Namen nennt, wer ungeschminkt, unverstellt schreibt, wer die Wahrheit nicht zur Lüge und die Lüge nicht zur Wahrheit macht...
Was man doch alles überhören kann, nein überhören will.
Gruß
Petros

Анониман је рекао...

Lieber Miro,

nenne man mich feige oder wie auch immer..
Ich habe es nicht bis zum Schluss lesen können, weder am Donnerstag noch heute.
Es löst ein heftiges Weinen aus..

..grüßt dich Monika

Elsa Rieger је рекао...

Ich habs bis zum bitteren Ende gelesen. Und diese akribische Beschreibung einer Folterung müssen wir uns nun vertausendfacht denken, an verschiedenen Orten unserer Welt ....

LG
ELsa