уторак, 30. јануар 2007.

Miroslav B. Dušanić: Die Wahrheit des Augenblicks

Isidore Opsomer (Belgien, 1878 - 1967)
A view of the Rokin, Amsterdam

Die Wahrheit des Augenblicks

Die Spuren sind verraucht.
Das getaute Abendrot tropft mir in die Augen.

Miroslav B. Dušanić

субота, 27. јануар 2007.

Miroslav B. Dušanić: Fragen an Theodor Kramer

Das Getier erstickt den stillen Schrei © by Viktoria Weihman - Vicky
Fragen an Theodor Kramer

wer läutet draußen
an der tür — nichts gibt es hier
nur ich — ohne
jeglichen grund müde
/wollte schlafen gehen/

wer ist da — was fehlt ihm
birgt er einen zauber
wenn mich jetzt das schicksal trifft
wer bin ich dann — wofür wäre
meine seligkeit verspielt

Miroslav B. Dušanić

петак, 26. јануар 2007.

Miroslav B. Dušanić: Inmitten des forttobenden Sturmes

© by Marianne McCoy

Inmitten des forttobenden Sturmes
schwer und trunken
im schein der blitze
lege ich dir meine augen
in den schoß - singe ein neues lied

der rest ist obszön:

für das leichentuch
dein leib - groß genug
lässt sich träge fallen
in den sessel nässt
tinte auf den strich

keine birke - unters hemd
kriecht die kälte

Miroslav B. Dušanić

четвртак, 18. јануар 2007.

Branko Andrić Andrla: Zwei Gedichte

* 09. April 1942 - † 20. Oktober 2005


Ich und die Wand

Ich beobachte eine Wand
Die Wand ist groß
Und solide gebaut
Etwa zwei Meter hoch
Aus roten
Mit grauem Mörtel verklebten
Ziegel
Teilweise durch Regentropfen nass
Und teilweise durch den Wind getrocknet
Das Foto ist technisch gut
Gelungen und sehr farbenecht
Und scharf
Das ist eines meiner schönsten
Portraits.


17. 08. 2005

Branko Andrić


Fotografie: Miroslav B. Dušanić

Miroslav B. Dušanić: Jeden Tag im Exil

Мирослав Б. Душанић

Jeden Tag im Exil
ein Gedicht
als Sarg
und
Heimat

Miroslav B. Dušanić

понедељак, 15. јануар 2007.

Miroslav B. Dušanić: Wo bleibt das wärmende Licht

Irritation in Rot © by Viktoria Weihmann - Vicky
wo bleibt das wärmende Licht
oh gierige rote Viper

getrieben von eisigen Winden
krieche ich auf brüchigem Eis
schweigend

frierend in meinen Händen
dein Gemüt scheint wie jener Frost
wartend

streck mir deine Hand
in dieser felsigen Landschaft

streichle meinen Körper
erlöse mich von dieser Qual

Miroslav B. Dušanić
/ im Gedenken an den Lyriker Georg Heym, der 1912 auf der Havel auf tragische Weise ums Leben kam /

Miroslav B. Dušanić: Eisiges warten

Мирослав Б. Душанић
Eisiges warten

nun schaust du ins bild: eisvogel-aufschrei
in den fensterrahmen eingespannt
— zerrinnt in deinem atem

Miroslav B. Dušanić

субота, 13. јануар 2007.

Miroslav B. Dušanić: Und siehst du: so habe ich sie erkannt

Rail Road © by Fabrizio


und siehst du: so habe ich sie erkannt
anders als man will und meint


das kind - ein wenig unsanft schob sie
zur seite
am zug nach köln erwartend
schluckte heftig die tränen
herunter - vielleicht suchte sie trost
in den gedanken - wortlos

und plötzlich der regen
zerfloss festgetretene spuren


und siehst du: so hat sie mich erkannt
anders als man will und meint


in grau sah ich die häuser meiner stadt
bald nahte die bahn - wie damals
im inneren blieb ich doch entzweit
„fort aus dem land - der stadt
fort von daheim“
riefen fremde stimmen - unheimlich

und plötzlich ein leichter wind
kämmte ihr haar


und siehst du: so haben wir uns erkannt
anders als man will und meint


den nachmittag am bahnhof - ein lächeln
dorthin und niemand sah
wie unecht es war - wir konnten uns beide
daran erinnern und wenn wir wollten
es unseren kindern erzählen
zu hart hat uns die mühe verbraucht

und plötzlich ein einsamer vogel flog in
den süden hinunter


Miroslav B. Dušanić

петак, 12. јануар 2007.

Miroslav B. Dušanić: Lebens Auffassung - Brief an Thomas Schulz

Thomas Schulz bei der Lesung in Erding © by Heinz Kurt Rinteln
Lebens Auffassung  — Brief an Thomas Schulz

ich träumte: der zug fährt nicht weiter
hin zu der morgenröte

bei ankündigung der endstation
sisyphos — nicht älter als du —
wird kurzatmig

aus liebe
hole ich keine hilfe ein

jedoch heute — um wiedergutzumachen —
trage ich zum grabe seinen stein

Miroslav B. Dušanić

Thomas Schulz sagt von sich: „Mit meinen Texten gehe ich Schritte auf mich selbst zu. Das Schreiben begann, als ich spürte, wie weit ich von mir entfernt war. Wie wenig ich von meinen eigenen Wünschen, meiner Empfindlichkeit und dem wusste, was ich wollte.“
 


Quittung

Wer
das Herz
und
die Seele
zur Schau stellt

muss

damit rechnen,
dass sie mit

Wortdolchen

durchbohrt
werden.

© by Thomas Schulz

Miroslav B. Dušanić: Könnten sie es mir sagen


Könnten sie es mir sagen

warum bin ich allein herr auer
wie wäre die welt
dann
ohne mich

ich hab einen mund
und papa
und mama
und ihre verwandte

warum bin ich so fremd
und
unheimlich
unbekannt

o mann
o mann
o mann
wie trocken ist der staub

Miroslav B. Dušanić