Das Engagement des Schriftstellers
(Antwort auf eine Umfrage)
Darüber, dass der Schriftsteller sozial engagiert ist, besteht für mich seit langem kein Zweifel.
Allein dass er in einer Sprache sich äussert, ist ein Beweis dafür. Denn ohne die andern – gleichviel in welcher Art, in welchem Grade die andern da seien, ob sie nur gedacht seien z.B. – würde die Sprache nicht existieren. Wenn ein Mensch ganz allein wäre, freilich eine undenkbare Vorstellung und ein unmöglich durchzuführender Test –, würde er allmählich, über kurz oder lang, aufhören zu schreiben, aufhören zu sprechen, in sich selbst zu sprechen, »zu sich selbst« zu sprechen (das »zu sich selbst« ist nur eine Fiktion), zu denken. Er würde schliesslich – wahrscheinlich über Stufen wie Wahnsinn und Verblödung – aufhören, zu sein. Denn der soziale Trieb ist, neben dem Ernährungstrieb, der mächtigste Trieb des Menschen. (Und der sexuelle Trieb ist nur eine Unterabteilung davon, wenngleich bei einigen an Bedeutung überwiegend, in andern Fällen mässiger, selten einmal fast nicht vorhanden wie bei Kant: was aber nicht heisst, dass bei Kant der soziale Trieb nicht überaus mächtig war.
Also sind, aus einer gewissen Distanz gesehen, alle Werke, möge es sich um Drama oder Epik, um Gedichte oder Philosophie (etc.) handeln, nichts als Briefe an einen Freund (einen fernen vielleicht wohl, einen nur vorgestellten; dennoch Briefe an einen Freund oder Freunde, – an die Menschen).
(Und das Gerede vom Elfenbeinturm wäre eine der grössten Sinnlosigkeiten, die je geredet wurden, wenn es das Gesamte des Künstlers und nicht nur eine Einzelheit beträfe.)
Ludwig Hohl
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