Bernd Berner (* 24. 09. 1931 † 12. 07. 2002) |
Gelbe Bücher
Eine Zeit, die kaum Wahrheiten hat,
kennt auch keine Tabus. Vielleicht ist dieses gelbe Buch eines der wenigen,
obwohl mir davon nur der Vorgang des Versteckens
in Erinnerung geblieben ist.
Es ist heiß. Das Essen wird langsam serviert, wie jeden Abend,
zur festgesetzten Stunde. Die Stunde, da wir einander gegenseitig zudecken.
Etwas Schnelles, ein Kalbskopf. Mein Anteil ist die Zunge.
Man sagt, wenn man eine Zunge isst, wächst sie einem,
und wenn man ein Auge isst, bringt es Glück.
Wer Bücher isst, isst sich selber, Stück für Stück, von den Ecken her zum Kern,
wie die Erntemaschinen, in den Kollektivhöfen.
Vom Tischfuß her die Evolutionslehre,
»Die Starken sterben; die Schwächeren überleben!«
auf eine sehr originelle Weise,
indem sie die Bettler mit Handzeichen bedauern.
Und nichts unterscheidet es von einem heiligen Mahl,
bei dem Brot und Seele in gleiche Portionen geteilt werden,
die einzigen Wahrheiten – heimlich gelesen,
verwandelt während des Austausches,
wie die gelben Bücher.
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